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Eine der letzten Stationen, die ein DP vor der Emigration, also der Ausreise in ein neues Land, durchlief, waren die staging center (Sammellager). Eine der größten Emigrant Staging Areas gab es ab 1946 in Bremen. Von dort reisten viele DPs, aber auch andere Auswanderer*innen, vor allem in die USA. Für sie erstellten UNRRA- und später IRO-Mitarbeiter*innen spezielle Karten, auf denen sie unter anderem vermerkten, wann und wohin die Person auswanderte.
Eine der letzten Stationen, die ein DP vor der Emigration, also der Ausreise in ein neues Land, durchlief, waren die staging center (Sammellager). Eine der größten Emigrant Staging Areas gab es ab 1946 in Bremen. Von dort reisten viele DPs, aber auch andere Auswanderer*innen, vor allem in die USA. Für sie erstellten UNRRA- und später IRO-Mitarbeiter*innen spezielle Karten, auf denen sie unter anderem vermerkten, wann und wohin die Person auswanderte.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Von Bremen aus verließen nach Ende des Zweiten Weltkriegs Tausende DPs Europa. Etwa zwei Wochen bevor ihr Schiff ablegte oder ihr Flugzeug startete, kamen sie – zusammen mit anderen Auswanderer*innen, die keine DPs waren – in ein Camp der Bremen Emigrant Staging Area. Dort besuchten zeitweise mehrere Tausend Personen gleichzeitig Orientierungskurse zu Sprache, Alltag und Kultur der einzelnen Zielländer. UNRRA- beziehungsweise IRO-Mitarbeiter*innen teilten sie einem Schiff zu und Ärzt*innen untersuchten sie auf Krankheiten, die eine Ausreise noch in letzter Minute verhindern konnten. Die Einrichtung der staging center (Sammellager) ermöglichte es, dass die Flugzeuge und vor allem die Schiffe pünktlich und möglichst voll belegt aufbrechen konnten.
Vor Ort in Bremen waren UNRRA- und später IRO-Mitarbeiter*innen für die Auswanderer*innen in mindestens drei Camps zuständig. Im Camp Tirpitz, einer ehemaligen Kaserne im Bremer Stadtteil Gröpelingen, waren ab Frühjahr 1946 jeweils bis zu 1800 Auswanderer*innen untergebracht. Vermutlich ab 1948 kam dann noch das Camp Grohn für maximal 5000 Personen sowie im Winter 1950/51 das Camp Lesum hinzu. Zusammen bildeten die Camps die Emigrant Staging Area. Dort stellten die UNRRA- und IRO-Mitarbeiter*innen die Karten für die Auswanderer*innen aus, die heute teilweise in den Arolsen Archives überliefert sind.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Obwohl viele Menschen über Bremen ausreisten, ist heute nur sehr wenig über die dortige Emigrant Staging Area bekannt. Zudem gab es viele Camps in und um Bremen und der Begriff Emigrant Staging Area ist nicht genau definiert. Ein Datum, ab wann die Karten dort benutzt wurden, ist deshalb schwierig zu nennen. Grob geht die Forschung davon aus, dass es in Bremen mindestens zwischen Frühjahr 1946 und Ende 1951 spezielle Camps für die Ausschiffung gab. Die meisten der bisher untersuchten Karten stammen von Personen, die 1947 ein Schiff in Bremen bestiegen.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
In den Monaten und Jahren nach Ende des Zweiten Weltkrieg stellte sich heraus, dass eine große Gruppe an DPs nicht in ihre Herkunftsländer zurückkehren, sondern lieber ein neues Leben in einem anderen Land beginnen wollte. Die UNRRA und später vor allem die IRO unterstützten daher immer mehr Personen bei ihrer Emigration. Dafür besaß die IRO allein 25 eigene Schiffe, aber es gab auch zusätzliche Flugzeuge. Der Ablauf der Auswanderung – offiziell resettlement (Umsiedlung) genannt – war für die DPs dabei genau vorgegeben und es gab besondere Camps für die unterschiedlichen Aufgaben. Kurz vor der Abreise wechselten die DPs in ein staging center, nachdem sich eine nationale Auswahlkommission auf Grundlage eines Interviews sowie medizinischer und beruflicher Prüfungen in einem resettlement center (Umsiedlungslager) für sie und ihre Familien entschieden hatte. Der Aufenthalt in den staging centern dauerte meist nur ca. zwei Wochen, denn die DPs mussten alle Formalitäten für die Ausreise – wie zum Beispiel Zollüberprüfungen des Gepäcks oder Sicherheitsprüfungen – schon vorher erledigt haben. Die Grundidee der staging center war es dabei, dass die Auswanderer*innen möglichst nah am Abreiseort gesammelt werden sollten, damit die Flugzeuge und vor allem die Schiffe pünktlich und weitgehend vollbesetzt starten beziehungsweise ablegen konnten. Fielen Passagiere zum Beispiel aus gesundheitlichen Gründen aus, gab es in den staging centern andere Auswanderer*innen, die schnell nachrücken konnten. Die Zahl der Auswanderer*innen war dabei groß. Der Historiker Wolfgang Jacobmeyer gibt an, dass bis zur Auflösung der IRO im Dezember 1951 mehr als 700.000 Personen mit Hilfe der IRO emigrierten, alleine im Jahr 1949 waren es 260.000. Die meisten von ihnen gingen dabei in die USA, es folgten Australien, Kanada und Israel.
Die DPs verließen Europa entweder über den Hafen in Genua in Italien oder über Bremen in Norddeutschland. In Bremen gab es eine ganze Emigrant Staging Area für DPs und andere Auswanderer*innen. Sie bestand aus mehreren Camps in den Stadtteilen Grohn und Lesum sowie in der ehemaligen Tirpitz Kaserne. Zeitweise gab es auch ein embarkation center (Einschiffungslager) in Bremen, dessen Aufgaben später die Camps der staging area übernahmen. Allein das Camp Bremen-Grohn bot Platz für bis zu 5000 Personen. Da durchschnittlich alle zwei bis drei Tage ein Schiff mit ca. 1200 Auswanderer*innen ablegte, gab es viele Wechsel. Vermutlich führten die UNRRA- und IRO-Mitarbeiter*innen in Bremen daher die Karten, um mit ihnen den Überblick über die Belegung des Camps zu behalten. Die Karten wirken dabei wie Laufzettel, auf denen neben den Verantwortlichen für die Registrierung auch Ärzt*innen und Mitarbeiter*innen anderer Stellen Informationen festhalten konnten. Allerdings wurden die Karten offenbar nie komplett genutzt. Stattdessen notierten die Mitarbeiter*innen bei der Registrierung nur einige persönliche Angaben der Auswanderer*innen. Später fügten sie noch das Abreisedatum, den Zielort und den Namen des Schiffs ein. Für die Schritte dazwischen – also die medizinische Untersuchung und die Einteilung für den Transport (movement documentation) – gab es vermutlich zusätzliche Karten, die nicht überliefert sind.
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Wie häufig ist das Dokument?
IRO-Mitarbeiter*innen unterstützten weltweit rund 1,2 Millionen Menschen bei der Rückkehr in ihre Herkunftsländer und vor allem bei ihrer Emigration. Sie wickelten Transporte ab für Menschen, die sich in Folge des Zweiten Weltkriegs in Mitteleuropa – zum Beispiel in Österreich, Belgien, Dänemark, Deutschland oder Italien –, aber auch in China, auf den Philippinen und in Ostafrika, im Libanon, in Syrien oder der Türkei aufhielten. Wie viele Menschen genau über die Camps der Emigrant Staging Area in Bremen ausreisten, ist dabei bisher noch nicht erforscht. Daher kann auch nicht gesagt werden, wie viele Karten dort erstellt worden sind. Zudem ist nicht bekannt, ob es überhaupt für jede*n Auswanderer*in eine solche Karte gab.
In den Arolsen Archives liegen bei weitem nicht für alle über Bremen ausgereisten DPs Karten der Emigrant Staging Area vor. Sie kamen nur in einer kleinen Anzahl zum ITS, der Vorgängerinstitution der Arolsen Archives. Da dort die Karten für die Suche nach Personen benötigt wurden, sortierten die ITS-Mitarbeiter*innen die Karten aus Bremen nach einem alphabetisch-phonetischen System in eine große Gesamtkartei ein. Diese Nachkriegszeitkartei (Bestand 3.1.1.1) umfasst heute ca. 3,5 Millionen Dokumente. So konnten Suchanfragen schneller beantwortet werden, denn es musste nur eine Kartei, und nicht mehrere, durchsucht werden. Leider hat das aber zur Folge, dass heute nicht gesagt werden kann, wie viele Karten der Bremen Emigrant Staging Area in den Arolsen Archives erhalten geblieben sind. Moderne Computertechnik wird in naher Zukunft aber eine Antwort finden: Die sogenannte Clustering-Technik ermöglicht es, die Kartei aus Bremen – ebenso wie andere Karteien – virtuell wieder zusammenzusetzen.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Wichtig ist, dass nicht jede Person, für die eine Karte aus der Bremen Emigrant Staging Area vorliegt, ein DP war. Um Geld einzunehmen, vermittelte die IRO Plätze auf ihren Schiffen auch an Personen, deren Emigration durch Sponsoren, Familien im Ausland oder über Hilfsorganisationen organisiert wurde. Allein im ersten Jahr der IRO-Tätigkeit, also zwischen Juli 1947 und Juni 1948, reisten ca. 44.200 Personen auf IRO-Schiffen und Flugzeugen aus, die keine DPs waren. Es konnten also zum Beispiel auch Deutsche auf den IRO-Schiffen gewesen sein, die nicht von den Nationalsozialisten verfolgt worden waren. Nur weil eine Karte vorliegt, heißt das also nicht, dass es sich bei dieser Person um einen DP handelte.
Vergleicht man mehrere Karten aus der Bremen Emigrant Staging Area, fällt schnell auf, dass die meisten Felder darauf leer geblieben sind. Stattdessen sind auf allen bisher untersuchten Karten nur die Felder (2) bis (9) sowie (12) und (17) ausgefüllt. Auf der Rückseite finden sich außer dem Abreisestempel auch keine weiteren Informationen. Vermutlich waren diese Karten daher nicht die einzigen Dokumente, die in Bremen für die Auswanderer*innen ausgefüllt wurden. Unklar bleibt aber, warum die Karten nicht vollständig genutzt wurden. Um zusätzliche Informationen zu den Personen zu erhalten, empfiehlt es sich, die in den Arolsen Archives überlieferten Passagierlisten zu prüfen, wenn eine Karte aus der Bremen Emigrant Staging Area vorliegt. Diese sind auch direkt im Online-Archiv einsehbar. Auf den Listen finden sich oft noch weitere Angaben zu den Personen, wie etwa die Zieladresse und ob sie alleine oder mit anderen Familienmitgliedern reisten.
Bemerkenswert ist eine weitere Karte aus München, die der aus Bremen sehr ähnlich sieht. Allerdings war das Camp in München, in dem die Karten ausgestellt wurden, ein assembly center und kein staging center. DPs verbrachten dort längere Zeit, um alle Formalitäten für die Ausreise zu erledigen. Das bedeutet, dass auch die Funktion der Karte eine andere war.
Falls Sie zusätzliche Informationen zu diesen Karten haben, freuen wir uns über Informationen unter eguide@arolsen-archives.org. Neue Erkenntnisse können jederzeit in den e-Guide eingebaut und so allen zugänglich gemacht werden.
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