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Dies ist eine Hollerith-Vorkarte, mit der ab Sommer/Herbst 1944 alle KZ-Häftlinge zentral erfasst werden sollten. Das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA) wollte so den Arbeitseinsatz der Gefangenen planen. Da die Vorkarten in den einzelnen Konzentrationslagern identisch ausgefüllt werden mussten, sind die Karten – bis auf die jeweiligen Angaben zum Häftling – absolut gleich. Einen kleinen Unterschied gibt es nur da, wo zur Zeitersparnis Stempel mit dem Namen des Lagers benutzt wurden.
Dies ist eine Hollerith-Vorkarte, mit der ab Sommer/Herbst 1944 alle KZ-Häftlinge zentral erfasst werden sollten. Das Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA) wollte so den Arbeitseinsatz der Gefangenen planen. Da die Vorkarten in den einzelnen Konzentrationslagern identisch ausgefüllt werden mussten, sind die Karten – bis auf die jeweiligen Angaben zum Häftling – absolut gleich. Einen kleinen Unterschied gibt es nur da, wo zur Zeitersparnis Stempel mit dem Namen des Lagers benutzt wurden.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Ab 1942 fehlten in Deutschland hunderttausende Arbeitskräfte in der Rüstungsindustrie und in anderen Bereichen. Daher sollten – neben Millionen von Zwangsarbeiter*innen – auch KZ-Häftlinge zur Zwangsarbeit herangezogen werden. Verantwortlich für die zentrale Planung der Arbeitseinsätze von KZ-Häftlingen war ab 1942 das Amt D II des Wirtschafts-Verwaltungshauptamts (WVHA) in Oranienburg. Die ehemalige Inspektion der Konzentrationslager entschied sich Anfang 1944 für ein Hollerith-Karteisystem, das alle arbeitsfähigen KZ-Häftlinge zentral erfassen sollte. Damit griff die SS auf eine bekannte Technik zurück, denn Hollerith-Lochkarten und -Lesegeräte wurden seit den 1930er Jahren in Deutschland in zahlreichen Institutionen eingesetzt, um vor allem statistische Verwaltungsvorgänge zu beschleunigen. Hollerith-Maschinen konnten nämlich mithilfe von Lochkarten schnell Daten auswerten und in Listen zusammenstellen, somit waren sie Vorgänger der heutigen Computer.
Grundlage für die Hollerith-Kartei des WVHA waren Hollerith-Vorkarten. Diese wurden in den Hollerith-Abteilungen ausgefüllt, die ab Juli/August 1944 als Arbeitskommandos in den Hauptlagern eingerichtet wurden. Im Dezember 1944 unterstanden dem Arbeitseinsatzführer im KZ Buchenwald für diese Tätigkeit zum Beispiel 37 Funktionshäftlinge. Sie mussten nach dem Ausfüllen der Hollerith-Vorkarten vor allem eine Vielzahl von Listen führen: Arbeitseinsatzmeldungen, Abgangslisten, Überstellungslisten oder Änderungslisten. Um die Hollerith-Kartei zu aktualisieren, wurden diese Meldungen zunächst täglich, ab November 1944 im zweiwöchigen Rhythmus an das „Maschinelle Zentralinstitut für optimale Menschenerfassung und Auswertung“ (kurz: Zentralinstitut) in Berlin weitergeleitet. Dieses Amt, das Himmler direkt unterstand, vergab im Auftrag des WVHA die Zahlencodes zu den Angaben und führte die Aktualisierungen auf den Lochkarten durch.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Die Hollerith-Vorkarten wurden ab Juli/August 1944 erstellt. Im Juli wurde die erste Hollerith-Abteilung in Sachsenhausen eingerichtet, die meisten weiteren Lager folgten im August; als letztes nahm die Hollerith-Abteilung in Bergen-Belsen die Arbeit im Dezember 1944 auf. Die ständigen Verlegungen von Häftlingen zwischen den Haupt- und Außenlagern sowie die hohe Sterblichkeit in Folge der schlechten Arbeits- und Lebensbedingungen führten zu einem erheblichen Kommunikationsaufwand zwischen den Hollerith-Abteilungen der Konzentrationslager, den Außenlagern und dem Zentralinstitut. Daher war das Führen einer jeder Zeit aktuellen Kartei nahezu unmöglich und die Hollerith-Kartei wurde nie vollständig eingesetzt. Die letzten Karten – mit einzelnen Ausnahmen – wurden im Februar 1945 erstellt. Es kam aber schon im Dezember 1944 vor, dass Neuankömmlinge nicht mehr in der Kartei gemeldet wurden. Karl Sommer, der Leiter des Amts D II im Wirtschafts-Verwaltungshauptamt (WVHA) und somit verantwortlich für den Arbeitseinsatz von KZ-Häftlingen, gab im November 1946 als Angeklagter in den Nürnberger Prozessen zwei weitere Gründe dafür an, dass die Kartei niemals wirklich praktische Verwendung fand: Zunächst sei die Kartei zu spät aufgebaut worden und zudem seien nicht alle Konzentrationslager involviert gewesen.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
Um den Einsatz von KZ-Häftlingen in der Kriegswirtschaft zu verbessern, wurden zunächst die Häftlings-Personal-Karten in den KZ handschriftlich, mit Schreibmaschinen oder teilweise auch mit Stempeln auf Hollerith-Vorkarten übertragen. Diesen Vorgang erkennt man auf den Häftlings-Personal-Karten am Stempel „Hollerith erfaßt“. Für später eingelieferte Häftlinge, die noch nicht erfasst worden waren, wurden direkt bei ihrer Ankunft Hollerith-Vorkarten angelegt. Auf den Vorkarten wurden nur Angaben aufgenommen, die für den Arbeitseinsatz wichtig waren, also das Alter, die Nationalität, die Berufsausbildung und -erfahrung sowie das Lager oder Außenkommando, in dem sich der Häftling zu einem gewissen Zeitpunkt befand. Zur Identifikation der Häftlinge diente die Häftlingsnummer, die Namen der Häftlinge wurden nicht aufgeführt.
Die Vorkarten leiteten die Hollerith-Abteilungen der KZ an das Zentralinstitut in Berlin weiter, wo Mitarbeiter*innen sie verschlüsselten: Jeder Angabe wurde eine Zahl zugeordnet und diese dann auf Lochkarten ausgestanzt. Jede ausgestanzte Zahl in einer der 80 Spalten stand also für eine Aussage über den Häftling: War Loch 2 in der Spalte 6 gestanzt, war der Häftling weiblich; fehlte Loch 1 in Spalte 7, war der Häftling ledig. Auch den einzelnen KZ war eine Zahl zugeordnet, von 01 für Auschwitz bis 12 für Stutthof. So gab es für alle Fragen Antwortmöglichkeiten, nach denen eine Maschine die Karten sortieren konnte.
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Wie häufig ist das Dokument?
Von Juli/August 1944 bis ca. Februar 1945 erstellten Funktionshäftlinge Hunderttausende Hollerith-Vorkarten. Da diese im Zentralinstitut in Berlin verwahrt wurden, kamen sie nach Kriegsende nicht direkt aus den Konzentrationslagern zum ITS. Stattdessen wurden die Vorderseiten jener Karten, die nicht im Krieg zerstört wurden, später in anderen Archiven kopiert. In der Hauptsache stammen die Kopien in den Arolsen Archives vom Polnischen Roten Kreuz und vom Bundesarchiv. So liegen zwar kaum Originale vor, dafür aber über 150.000 Kopien. Die „Häftlingskarten ohne Namen“, wie sie im ITS lange bezeichnet wurden, können nach dem Geburtsdatum und den auf den Karten vermerkten Häftlingsnummern durchsucht werden. Heute sind sie – wenn sie nicht in Einzelfällen in die Umschläge für die individuellen Unterlagen eines Häftlings einsortiert wurden – nach Lagern geordnet. Es gibt sie in den Arolsen Archives für Häftlinge aus Bergen-Belsen, Buchenwald, Dachau, Flossenbürg, Groß-Rosen, Mauthausen, Natzweiler, Neuengamme, Ravensbrück, Sachsenhausen und Stutthof.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Die Karten sind zunächst für die Forschung oder die Klärung von Schicksalen nicht leicht zu nutzen, da keine Namen vermerkt sind. Kennt man aber die Häftlingsnummer oder das Geburtsdatum der gesuchten Person, kann in den Arolsen Archives nach den Karten recherchiert werden. Da jedoch gerade Häftlingsnummern häufig mehrfach vergeben wurden, sollten die anderen Angaben wie Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und eventuell auch Beruf gegengeprüft werden. So kann man sicher gehen, dass es sich wirklich um die Karte der gesuchten Person handelt. Im Jahre 2009 wurde ein Digitalisierungsprojekt unter der Leitung der Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten abgeschlossen, das 80% der Karten einen Namen zuordnen konnte. Die Datenbank ist online über die KZ-Gedenkstätte Flossenbürg zugänglich.
Bei der Arbeit mit den Hollerith-Vorkarten sollte nicht vergessen werden, dass die Karten auch über bedruckte Rückseiten verfügten. Dort konnte die auf der Vorderseite begonnene Tabelle (Zugangsart, Überstellung, Häftlings-Nr. etc.) fortgesetzt werden. Die Rückseiten wurden beim ITS allerdings nicht mitkopiert. Da die Hollerith-Erfassung aber bereits kurz nach Beginn wieder beendet wurde, sind vermutlich – wenn überhaupt – nur wenige Karten über die Vorderseite hinaus beschrieben worden.
Falls Sie weitere Hinweise zu diesem oder einem anderen im e-Guide vorgestellten Dokument haben, freuen wir uns daher sehr über Rückmeldungen an eguide@arolsen-archives.org. Die Dokumentenbeschreibungen werden regelmäßig erweitert – und das gelingt am besten durch das gemeinsame Zusammentragen von Wissen.
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