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Das Berliner Suchbüro (tracing office) des American Joint Distribution Committee (AJDC) legte nach dem Krieg eine Kartei an, die als AJDC Berlin deportation index bezeichnet wird. Darin erfassten AJDC-Mitarbeiter*innen Informationen zu deportierten Berliner Jüdinnen und Juden. Weil die Karten in einem sehr kurzen Zeitraum entstanden sind, sehen sie sehr ähnlich aus. Nur manchmal unterscheiden sie sich darin, ob der untere Bereich liniert ist oder nicht und welche Schriftart beim Drucken benutzt wurde.
Das Berliner Suchbüro (tracing office) des American Joint Distribution Committee (AJDC) legte nach dem Krieg eine Kartei an, die als AJDC Berlin deportation index bezeichnet wird. Darin erfassten AJDC-Mitarbeiter*innen Informationen zu deportierten Berliner Jüdinnen und Juden. Weil die Karten in einem sehr kurzen Zeitraum entstanden sind, sehen sie sehr ähnlich aus. Nur manchmal unterscheiden sie sich darin, ob der untere Bereich liniert ist oder nicht und welche Schriftart beim Drucken benutzt wurde.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Die amerikanische Hilfsorganisation American Joint Distribution Committee (AJDC, JDC oder auch Joint abgekürzt) verfügte weltweit über Suchbüros, um das Schicksal von vermissten Jüdinnen und Juden nach dem Krieg zu klären. Neben Büros unter anderem in München, Stuttgart und im DP-Camp Bergen-Belsen gab es auch in Berlin einen Location Service. Die dortigen AJDC-Mitarbeiter*innen hatten auf Grundlage von gefundenen Transportlisten der Gestapo und Akten der Vermögensverwertungsstelle eine Kartei angelegt. Den sogenannten deportation index (Deportationskartei) nutzten sie speziell für die Suche nach Berliner Jüdinnen und Juden.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Das AJDC Tracing Office wurde im September 1945 in Berlin eingerichtet, einen offiziellen Status erhielt es im November desselben Jahres. Anfangs mussten Informationen über das Schicksal der Berliner Jüdinnen und Juden erst einmal gesammelt werden, zum Beispiel mit Listen der Jüdischen Gemeinden in Berlin und darüber hinaus, auf denen alle Mitglieder verzeichnet waren, die sich nach Kriegsende gemeldet hatten. Auch wurden Überlebende befragt, ob sie etwas über den Verbleib anderer Berliner Jüdinnen und Juden wussten. Eine große Veränderung brachte im Mai 1946 der Fund von Gestapo-Transportlisten und Akten der Vermögensverwertungsstelle. Mit den darin enthaltenen Dokumenten konnte umgehend eine Deportationskartei erstellt werden. Diese wurde bis zur Auflösung des Berliner AJDC Büros 1949 von Mitarbeiter*innen genutzt.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
Nach Kriegsende war – neben der Versorgung mit Lebensmitteln, Kleidung und Medikamenten – die Suche nach Familienmitgliedern und Bekannten eines der Hauptanliegen vieler jüdischer Holocaustüberlebender. Auch offizielle Einrichtungen und Regierungen versuchten, das Schicksal von Verfolgten zu klären. Daher richteten zahlreiche Organisationen Suchbüros ein. Das Berliner Tracing Office der amerikanischen Hilfsorganisation American Joint Distribution Committee (AJDC) war die Auskunftsstelle für alle, die jüdische Verwandte oder Freund*innen suchten, die vor der Deportation in Berlin gelebt hatten. Bei Anfragen konnten die Mitarbeiter*innen ab Mai 1946 auf eine besondere Quelle zurückgreifen: die Deportationskartei (deportation index).
Das AJDC Tracing Office in Berlin hatte immer wieder Gerüchte gehört, dass Listen und Akten den Krieg überstanden hätten, die von den Nationalsozialisten für alle aus Berlin deportierten Jüdinnen und Juden angelegt worden waren. Im Mai 1946 fanden schließlich Mitarbeiter*innen des AJDC Tracing Office die gesuchten Dokumente im Keller der Berliner Finanzverwaltung. Es handelte sich um Transportlisten der Gestapo und um Akten der Vermögensverwertungsstelle des Oberfinanzpräsidenten Berlin-Brandenburg. Die Vermögensverwertungsstelle hatte die Aufgabe, die zurückgelassenen Wertsachen und Ersparnisse der deportierten Berliner Jüdinnen und Juden zu beschlagnahmen. Grundlage dafür waren entsprechende Listen der Gestapo, die zusammen mit dem Befehl, das Vermögen einzuziehen, an die Finanzstelle geschickt wurden. Auf den Listen war genau vermerkt, wann wer wohin deportiert worden war.
Mehr als elf Personen übertrugen ab Mai 1946 im Auftrag des AJDC die Angaben von den Listen auf Karteikarten. Neben den persönlichen Angaben zu Name, Geburtstag und -ort sowie zur letzten bekannten Adresse wurde auch der Transport vermerkt, mit dem die Personen deportiert worden waren. Mit der Deportationskartei konnten Mitarbeiter*innen des AJDC zahlreiche Anfragen zu Personen beantworten: „Die Deportationskartei wurde zur einzigen Quelle für wichtige Informationen über die Berliner Deportierten, deren Schicksal bisher unbekannt gewesen war. Während der letzten Monate des Jahres 1946 und zu Beginn des Jahres 1947 wurden zahlreiche Fälle wieder aufgenommen, die man zuvor erfolglos geschlossen hatte, und man glich sie mit der neuen Deportationskartei ab. […] Im Laufe des Jahres 1947 bemerkten wir, dass die Deportationskartei von Tag zu Tag eine immer größere Wichtigkeit erhielt. 2776 neue Fälle wurden alleine im Herbst 1946 angelegt.“ (Larry Lubetsky: Berlin AJDC Tracing Office 1945 – 1947. Berlin 1948, S. 32f., Übersetzung des englischen Originals)
Mit der Deportationskartei konnten die AJDC-Mitarbeiter*innen Suchanfragen aus aller Welt beantworten und Familien wieder zusammenbringen. Doch die Kartei hatte noch eine andere Aufgabe: Larry Lubetsky erinnert sich, dass das AJDC unter anderem auf Grundlage der Kartei Deportationsdaten bestätigen konnte, die vor deutschen Gerichten als Beweis galten, um Todeserklärungen auszustellen. Diese waren wiederum wichtig, um Erbschaftsangelegenheiten zu klären und finanzielle Unterstützungen zu beantragen.
Die Deportationskartei selbst besteht aus zwei verschiedenen Kartentypen: Die Hauptkarte erkennt man an den durchgezogenen Linien im unteren Bereich. Sie ist die häufigste. Handelte es sich bei der Deportierten allerdings um eine verheiratete Frau, wurden in der Regel Hinweiskarten angelegt.
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Wie häufig ist das Dokument?
Insgesamt wurden ca. 50.000 Jüdinnen und Juden aus Berlin in Ghettos sowie Vernichtungs- und Konzentrationslager deportiert. Die Deportationskartei enthält mit ca. 44.600 Karten also für viele der Deportierten eine Karte.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Mitarbeiter*innen des AJDC erstellten die Deportationskartei zwar für Berliner Jüdinnen und Juden, aber es finden sich darin auch Personen, die eigentlich aus einem anderen Ort in Deutschland stammten. Das hängt damit zusammen, dass ab 1933 immer mehr jüdische Familien in die Großstädte zogen, um den antisemitischen Übergriffen in den kleineren Dörfern und Städten zu entkommen. In Städten wie Berlin konnten sie anfangs noch unerkannt leben, ohne dass die Nachbar*innen wussten, dass sie jüdisch waren beziehungsweise nach den Nürnberger Gesetzen als Juden galten. Ihre Kinder, die die Nationalsozialisten aus den staatlichen Schulen ausgeschlossen hatten, konnten zudem in den größeren Städten jüdische Schulen besuchen. Gerade Berlin war ein solches Zentrum, in das viele Jüdinnen und Juden zogen. Daher ist eine Suche in der Deportationskartei auch für diejenigen sinnvoll, die nur kurz in Berlin lebten.
Die heute in den Arolsen Archives als Mikroverfilmung vorliegende Deportationskartei ist allerdings teilweise schwer lesbar. Im Zweifelsfall lohnt es sich daher, die Originalkarten anzusehen, die in Yad Vashem verwahrt werden. Die Transportlisten mit zusätzlichen Informationen zu den deportierten Personen sind im Online-Archiv der Arolsen Archives zugänglich.
Falls Sie zusätzliche Informationen zu diesen Karten haben, freuen wir uns über Informationen unter eguide@arolsen-archives.org. Neue Erkenntnisse können jederzeit in den e-Guide eingebaut und so allen zugänglich gemacht werden.
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