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Die Mitarbeiter*innen des Location Service des American Joint Distribution Committee (AJDC) im DP-Camp Bergen-Belsen legten für ihre Suche nach Vermissten eine spezielle Kartei an. Darin vermerkten sie Informationen, die sie zu Holocaustüberlebenden zusammengetragen hatten.
Mithilfe der Kartei konnten sie Suchanfragen schneller bearbeiten. Dabei sind die Angaben auf den Karten teils sehr genau, teils konnten aber auch nur grobe Informationen festgehalten werden. Die Karten sind sich sehr ähnlich und es gibt nur kleine Unterschiede bei der Schriftart.
Die Mitarbeiter*innen des Location Service des American Joint Distribution Committee (AJDC) im DP-Camp Bergen-Belsen legten für ihre Suche nach Vermissten eine spezielle Kartei an. Darin vermerkten sie Informationen, die sie zu Holocaustüberlebenden zusammengetragen hatten.
Mithilfe der Kartei konnten sie Suchanfragen schneller bearbeiten. Dabei sind die Angaben auf den Karten teils sehr genau, teils konnten aber auch nur grobe Informationen festgehalten werden. Die Karten sind sich sehr ähnlich und es gibt nur kleine Unterschiede bei der Schriftart.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Als das American Jewish Joint Distribution Committee (kurz: Joint, JDC oder AJDC) nach dem Zweiten Weltkrieg begann, sich um jüdische Displaced Persons (DPs) zu kümmern, blickte die Organisation auf mehr als 30 Jahre Erfahrung zurück. Der AJDC war 1914, zu Beginn des Ersten Weltkriegs, in den USA gegründet worden, um notleidende Jüdinnen und Juden weltweit zu unterstützen. Allein zwischen 1945 und 1950 konnten durch Spenden 300 Millionen US-Dollar zur Verfügung gestellt werden.
Der Hauptsitz des AJDC war in Washington, aber es gab weltweit Außenstellen. Mitte Juli 1945 eröffnete das AJDC auch ein Büro im DP-Camp Bergen-Belsen, das nur zwei Kilometer vom ehemaligen Konzentrationslager entfernt lag. Das DP-Camp entwickelte sich schnell zum Zentrum jüdischen Lebens: Nirgendwo sonst im besetzten Deutschland hielten sich mehr jüdische DPs auf als dort. Die zunächst fünf AJDC-Mitarbeiter*innen unterstützten gemeinsam mit zwölf Freiwilligen der britischen Jewish Relief Unit (JRU) die Versorgung der DPs vor Ort. Dazu gehörte auch die Suche nach Vermissten. Dafür griffen die Mitarbeiter*innen des AJDC Location Service auf verschiedene Informationsquellen zurück und übertrugen alle Angaben zu einer Person, die sie finden konnten – selbst ungefähre Informationen –, auf spezielle Karten. Diese bildeten eine Kartei, die bei der Suche nach jüdischen Verfolgten benutzt wurde.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Wann genau die AJDC-Mitarbeiter*innen im DP-Camp Bergen-Belsen mit dem Anlegen der Kartei begannen, kann nicht gesagt werden. Fest stehen aber zwei Eckdaten für die Nutzung der Kartei: Ende Juli 1945 und August 1954. Die Arbeit des AJDC für jüdische Überlebende des KZ Bergen-Belsen begann nicht direkt nach Kriegsende. Erst Ende Juli 1945 konnte der AJDC seine Arbeit im DP-Camp Bergen-Belsen aufnehmen. Damit ist dies auch der früheste mögliche Zeitpunkt, an dem die Kartei begonnen worden sein kann. Zu dieser Zeit war Bergen-Belsen mit ca. 9000 jüdischen Überlebenden das größte jüdische DP-Camp in Deutschland.
Das AJDC Büro zog 1949 von Bergen-Belsen nach Hamburg um. Ob die Kartei des Location Service zu diesem Zeitpunkt noch genutzt wurde, ist nicht bekannt. Die meisten Karten tragen allerdings als Ausstellungsdatum das Jahr 1948.
Spätestens im Mai 1949 hatten die Planungen begonnen, die Dokumente des AJDC nach Arolsen zu bringen. Sehr viele der Dokumente des AJDC gingen auch Ende der 1940er/Anfang der 1950er Jahre an den ITS über, da dort die Suche nach vermissten Verfolgten gebündelt wurde. Vermutlich kamen auch die Karten des Location Service Belsen zu diesem Zeitpunkt zum ITS. Das von ITS-Mitarbeiter*innen auf die Rückseiten der Karten gestempelte Datum bedeutet, dass die Karten ab August 1954 in die Nachkriegszeitkartei (Bestand 3.1.1.1) eingelegt worden sind. Spätestens ab dann wurden auch die Karten des AJDC Location Service Belsen in Arolsen verwahrt, aber nicht mehr aktualisiert.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
In unmittelbarer Nähe zum ehemaligen KZ Bergen-Belsen entstand nach Kriegsende das größte DP-Camp für jüdische Holocaustüberlebende in der Britischen Besatzungszone. Neben der Versorgung mit Nahrungsmitteln, Medikamenten und Kleidung entwickelte der AJDC – in Kooperation mit anderen Hilfsorganisationen wie der Organization for Rehabilitation and Training (ORT) – mit der Zeit ein breites Unterstützungsangebot. AJDC-Mitarbeiter*innen richteten im DP-Camp Bergen-Belsen beispielsweise Kindergärten und Schulen für die jüdischen Kinder und Jugendlichen ein oder besorgten die nötige Technik für die beruflichen Ausbildungskurse (vocational training). Auch das Freizeitprogramm wurde zunehmend vielfältiger: Der AJDC veranstaltete Filmvorführungen und richtete eine Bibliothek ein, bezahlte Sportgeräte und eine Druckmaschine für die DP-Zeitung. Gläubige Jüdinnen und Juden wurden mit religiösen Schriften und koscherem Essen versorgt.
Daneben war es für die Überlebenden aber immer wichtig, mehr über das Schicksal ihrer Verwandten und Bekannten zu erfahren. Jacob Trobe, der AJDC-Direktor in Deutschland, beobachtete, dass „viele [Überlebende] nicht emigrieren wollen, bevor sie nicht ganz Deutschland und Osteuropa nach vermissten Verwandten abgesucht haben“ (zitiert nach Sara Kadosh und Eric Nooter: „The American Jewish Joint Distribution Committee and Bergen-Belsen“, in: Erik Somers und René Kok [Hg.]: Jewish Displaced Persons in Camp Bergen-Belsen 1945–1950. Zwolle 2004, S. 112, Übersetzung des englischen Originals). Mitarbeiter*innen des AJDC Location Service organisierten daher die Suche nach vermissten jüdischen Familienangehörigen und Bekannten. Das Büro im DP-Camp Bergen-Belsen war dabei eingegliedert in ein weltweites Netzwerk von Suchbüros des AJDC und anderen Organisationen. Der Hauptsitz – die AJDC Location Service Headquarters – war in Paris. Von dort aus wurden die Suchanfragen an die AJDC field offices weitergeleitet, die es überall in Europa gab, zum Beispiel in Wien, Brüssel und Warschau. Aber auch außerhalb Europas waren field offices eingerichtet worden, etwa in Shanghai.
Der AJDC Location Service Belsen hatte – wie andere Suchbüros auch – eine eigene Kartei angelegt, die die Mitarbeiter*innen für die Suche nach Vermissten nutzten. Auf Karten wurde notiert, was über das Schicksal einer Person bekannt war. Dabei konnten die Angaben sehr vage sein, etwa „Frau“ statt eines Vornamens oder „age 17“ statt eines genauen Geburtsdatums. Vermutlich stammen die Angaben also nicht von einer Befragung, sondern sind aus unterschiedlichen Listen entnommen. In einem Bericht aus dem August 1945 heißt es, dass das AJDC schon zu diesem Zeitpunkt über „gute Listen von ehemaligen Häftlingen ebenso wie über Listen von aktuellen Bewohnern [und] Listen von anderen Camps“ verfügte und dass sie auch „Listen der Verwandten von DPs [erhielten], die in ihren Heimatländern überlebt hatten“ (1.1.3.0/82350945, ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Übersetzung des englischen Originals). Kam dann eine Anfrage des Headquarters oder einer anderen Stelle in Bergen-Belsen an, durchsuchten AJDC-Mitarbeiter*innen die Kartei vor Ort. Unter Umständen wurden auch andere Suchstellen angeschrieben. Alle Informationen, die sie fanden, vermerkten sie auf dem sogenannten Formblatt Nummer 3 (Form No. 3). Dieses wurde nach Paris geschickt, wo alle Suchergebnisse in einer Kartei zusammenliefen. Diese Kartei umfasste im Dezember 1947 ca. 400.000 Karten.
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Wie häufig ist das Dokument?
Wie viele Karten des AJDC Location Service Belsen in den Arolsen Archives verwahrt werden, lässt sich nicht genau sagen. Die Karten sind nämlich nicht mehr als eigene Kartei erhalten, sondern ITS-Mitarbeiter*innen haben sie alphabetisch-phonetisch mit anderen Dokumenten in die Nachkriegszeitkartei (Bestand 3.1.1.1) einsortiert. Das vereinfachte die Suche nach Hinweisen auf Personen, führte aber auch dazu, dass man heute nicht weiß, wie häufig die Karten des AJDC Location Service Belsen sind. Moderne Computertechnik wird in naher Zukunft aber eine Antwort finden: Die sogenannte Clustering-Technik ermöglicht es, die Kartei des Location Service Belsen – ebenso wie andere Karteien – virtuell wieder zusammenzusetzen.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Die Karten sollten möglichst viele Informationen abfragen. Vor allem die Felder der Adressen und die Namen der Eltern sind jedoch oft frei geblieben.
Falls Sie zusätzliche Informationen zu diesen Karten haben, freuen wir uns über Informationen unter eguide@arolsen-archives.org. Neue Erkenntnisse können jederzeit in den e-Guide eingebaut und so allen zugänglich gemacht werden.
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