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Diese Karte wurde nach dem Krieg für jüdische Häftlinge erstellt, die in Folge der Pogromnacht 1938 im KZ Dachau inhaftiert worden waren. Sie wird wegen der Häftlingsgruppe, für die sie angefertigt wurde, auch „Aktionsjudenkarte“ genannt. Da die Karten in einem sehr kurzen Zeitraum für einen bestimmten Zweck erstellt wurden, sind sie nahezu identisch.
Diese Karte wurde nach dem Krieg für jüdische Häftlinge erstellt, die in Folge der Pogromnacht 1938 im KZ Dachau inhaftiert worden waren. Sie wird wegen der Häftlingsgruppe, für die sie angefertigt wurde, auch „Aktionsjudenkarte“ genannt. Da die Karten in einem sehr kurzen Zeitraum für einen bestimmten Zweck erstellt wurden, sind sie nahezu identisch.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Während und nach der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden mehr als 30.000 jüdische Männer verhaftet, die man als „Aktionsjuden“ bezeichnete. Dieser Begriff leitet sich von der „Aktion Rath“ ab, in deren Rahmen die Männer festgenommen wurden. Die Verhafteten wurden in die Konzentrationslager Sachsenhausen, Buchenwald und Dachau verschleppt. 10.911 deutsche und österreichische Juden kamen Anfang November 1938 im KZ Dachau an. Diese Gruppe wurde besonders schikaniert und gequält. Die Männer mussten stundenlang auf dem Appellplatz stehen oder wurden zu körperlich anstrengenden Übungen gezwungen. Ihnen sollte deutlich gemacht werden, dass eine Auswanderung aus Deutschland – bei der sie große Teile ihres Eigentums zurücklassen mussten – der einzige Ausweg sei. Durch die Inhaftierung sollte auch die sogenannte Arisierung vorangetrieben werden, also der Verkauf von Geschäften, Firmen und Immobilien weit unter Wert an nichtjüdische Deutsche. Mehr als 170 Männer starben infolge der Gewalt sowie der schlechten Unterbringung und Versorgung in den KZ. Die meisten „Aktionsjuden“ wurden zwischen Ende November 1938 und Anfang 1939 schrittweise entlassen.
Dass bei ihrer Ankunft im KZ Dachau Schreibstubenkarten für diese Häftlingsgruppe erstellt wurden, lässt sich daran erkennen, dass sich die Karten von den im Lager gestorbenen „Aktionsjuden“ bis heute in der Kartei befinden. Nur die Karten der Entlassenen wurden – vermutlich noch während des Krieges – aus der Kartei herausgenommen. Wer dies warum getan hat, ist nicht bekannt. Weil aber alle „Aktionsjuden“ im KZ Dachau in Zugangsbüchern und Veränderungsmeldungen aufgenommen worden waren, sind neben ihren Namen auch das Entlassungsdatum sowie die Häftlingsnummer bekannt. Auf Grundlage der Veränderungsmeldungen entstanden nach dem Krieg daher neue Karten für diese Gruppe. Höchstwahrscheinlich wurden sie von ehemaligen Häftlingen im International Information Office (IIO) Dachau geschrieben. Die Karten wurden in die gerettete Schreibstubenkartei alphabethisch eingeordnet. Es handelt sich also nicht um Originalkarten aus der Lagerverwaltung von Dachau, sondern um Dokumente der unmittelbaren Nachkriegszeit.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Die Karten der „Aktionsjuden“ stellen eine Besonderheit dar, da sie speziell für eine Häftlingsgruppe nach der Befreiung des Lagers erstellt wurden. Daher ähneln sich die Karten sehr stark und variieren nicht wie andere Schreibstubenkarten in Papierfarbe oder Schrift. Der genaue Zeitpunkt, zu dem die Karten geschrieben wurden, ist leider nicht bekannt. Fest steht aber, dass die Karten nach der Befreiung des KZ Dachau erstellt wurden.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
Sogenannte Schreibstubenkarten wurden in den Konzentrationslagern ausgestellt, um einen Überblick über die Häftlinge zu behalten. Die Arolsen Archives verwahren heute über 170.000 Original-Schreibstubenkarten aus dem KZ Dachau. Die Karten der jüdischen Häftlinge, die im November 1938 in das KZ Dachau kamen und innerhalb weniger Wochen und Monate wieder entlassen wurden, haben sich jedoch nicht erhalten. Stattdessen finden sich in der Kartei später erstellte Karten, die sogenannten Aktionsjudenkarten. Höchstwahrscheinlich wurden diese vom International Information Office (IIO), einer Organisation befreiter Häftlinge, zu Informationszwecken erstellt.
Das Information Office entstand aus der ehemaligen Lagerschreibstube. Dem Lagerschreiber Jan Domagala war es gelungen, die Unterlagen aus der Schreibstube vor der Zerstörung durch die SS zu bewahren. Die Schreibstubenkartei wurde zur Grundlage für alle weiteren Auskünfte des Information Office und sollte auch als Beweismittel bei Strafprozessen dienen. Im IIO arbeiteten zunächst ausnahmslos ehemalige Dachauer Häftlinge. Sie beantworteten Anfragen zu Menschen, die in Dachau inhaftiert gewesen waren, und stellten Zertifikate aus, die die Haft belegten. Dafür wurde die Schreibstubenkartei nach dem Krieg weiterbearbeitet. Die Karten von Überlebenden wurden zum Beispiel gestempelt.
Daher spricht auch einiges dafür, dass die Karten der „Aktionsjuden“ vom International Information Office erstellt wurden und als Teil der gesamten Schreibstubenkartei zum ITS kamen. In einer Übersicht der Aufgaben des IIO, die vermutlich aus dem Sommer 1946 stammt, heißt es: „Die Kartei-Abteilung […] kontrolliert die Nummernverzeichnisse mit der alfabetisch [sic!] geordneten Kartei wobei fehlende Karteikarten auf Grund der Nummern-Verzeichnisse ergänzt werden.“ (1.1.6.0/ 82095277/ITS Digital Archive, Arolsen Archives) Es wurden also neue Karten geschrieben. Dies könnte ein Hinweis darauf sein, dass die Karten der „Aktionsjuden“ dort entstanden, um schneller Auskünfte geben zu können. Eine andere These ist, dass die Karten erst beim ITS selbst als Arbeitshilfsmittel angefertigt wurden. Kataloge von Anfang der 1950er Jahre, die den Eingang neuer Dokumentenbestände beim ITS verzeichnen, sprechen aber eher dafür, dass bereits das International Information Office die Karten erstellte.
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Wie häufig ist das Dokument?
Im Bestand der Arolsen Archives haben sich insgesamt ca. 186.000 Schreibstubenkarten aus Dachau erhalten. Darunter befinden sich alphabetisch einsortiert auch die Karten der 10.911 inhaftierten „Aktionsjuden“. Die „Aktionsjudenkarten“ sind eine Besonderheit des KZ Dachau. In anderen Lagern, die in Folge der Reichspogromnacht jüdische Häftlinge aufnahmen, wurden diese Karten nach der Befreiung nicht erstellt.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Die Karten der „Aktionsjuden“ unterscheiden sich stark von den Schreibstubenkarten anderer Häftlingsgruppen, die in Dachau inhaftiert waren. Die Karten von politischen, kriminellen, homosexuellen oder geistlichen Häftlingen beinhalten neben Informationen über den Heimatort, den Familienstand, das Arbeitskommando und die Überstellungen in Außenlager auch das Einlieferungsdatum und die Häftlingskategorie. Auf den Karten der „Aktionsjuden“ fehlen viele dieser Angaben. Dies erklärt sich dadurch, dass die Veränderungsmeldungen, die nach der Befreiung als Grundlage für die Karten benutzt wurden, nur den Namen, die Häftlingsnummer und das Entlassungs- oder Sterbedatum enthielten. Allerdings können andere Informationen erschlossen werden, die sich durch den Status der „Aktionsjuden“ ergeben: Die Häftlingskategorie musste zum Beispiel nicht vermerkt werden, weil dieser Kartentyp nur für diese Gruppe ausgestellt wurde. Zudem waren alle betroffenen Männer im selben Zeitraum eingeliefert worden. Über die Häftlingsnummer kann unter Umständen aber in anderen Dokumenten der Arolsen Archives das genaue Einlieferungsdatum herausgefunden werden. Da die jüdischen Männer nicht zu Arbeiten im Lager oder in einem Außenkommando vorgesehen waren, wurde auch kein Feld für das Arbeitskommando benötigt. Daher beschränken sich die Informationen auf den Karten von „Aktionsjuden“ auf den Namen, die Häftlingsnummer und das Entlassungsdatum.
Wichtig ist auch, dass die „Aktionsjudenkarten“ erst in der Nachkriegszeit angefertigt wurden. Obwohl sie in die Dachauer Schreibstubenkartei eingeordnet und in den Arolsen Archives in diesem Bestand zu finden sind, wurden die Karten nicht im Auftrag der SS im Konzentrationslager Dachau geschrieben.
Falls Sie weitere Hinweise zu diesem oder einem anderen im e-Guide vorgestellten Dokument haben, freuen wir uns daher sehr über Rückmeldungen an eguide@arolsen-archives.org. Die Dokumentenbeschreibungen werden regelmäßig erweitert – und das gelingt am besten durch das gemeinsame Zusammentragen von Wissen.
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