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Zivile Zwangsarbeiter*innen aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion – die sogenannten Ostarbeiter – durften im Deutschen Reich weder ein Sparbuch noch ein Bankkonto eröffnen. Für sie führte das Reichsfinanzministerium im Sommer 1942 das sogenannte Ostarbeitersparen ein. Sowjetische Zivilarbeiter*innen konnten nun Sparmarken erwerben, die in die Ostarbeiter-Sparkarten geklebt wurden. Theoretisch sollten sie dieses Geld an ihre Familien im Ausland überweisen können. In der Praxis diente das Ostarbeitersparen aber der deutschen Kriegsfinanzierung, da das Geld nur selten überwiesen wurde.
Zivile Zwangsarbeiter*innen aus den besetzten Gebieten der Sowjetunion – die sogenannten Ostarbeiter – durften im Deutschen Reich weder ein Sparbuch noch ein Bankkonto eröffnen. Für sie führte das Reichsfinanzministerium im Sommer 1942 das sogenannte Ostarbeitersparen ein. Sowjetische Zivilarbeiter*innen konnten nun Sparmarken erwerben, die in die Ostarbeiter-Sparkarten geklebt wurden. Theoretisch sollten sie dieses Geld an ihre Familien im Ausland überweisen können. In der Praxis diente das Ostarbeitersparen aber der deutschen Kriegsfinanzierung, da das Geld nur selten überwiesen wurde.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Mitarbeiter*innen der Zentralwirtschaftsbank Ukraine (ZWB) in Berlin und später in Cottbus stellten die Sparkarten für das Ostarbeitersparen aus. Die lokalen Spar- und Girokassen sowie die Kreditgenossenschaften übernahmen die Organisation und den Vertrieb der Ostarbeiter-Sparkarten und der Sparmarken vor allem für kleinere Betriebe. Große Firmen wie Krupp erhielten die Karten und die Marken direkt von der ZWB.
Die Personalabteilungen der Betriebe, die sowjetische Zivilarbeiter*innen beschäftigten, verwahrten deren Sparkarten und klebten die Sparmarken ein. In einzelnen Fällen trugen die sowjetischen Zivilarbeiter*innen ihre Ostarbeiter-Sparkarten auch bei sich.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Die Zentralwirtschaftsbank Ukraine (ZWB) wurde im Frühjahr 1942 von Erich Koch, dem Reichskommissar für die Ukraine, als Staatsbank für die Ukraine gegründet. Der Name ist dabei irreführend, denn es handelte sich um eine deutsche Bank mit Sitz in Berlin und später in Cottbus. Deutsche Firmen erhielten ab Juli 1942 von der ZWB die Ostarbeiter-Sparkarten gemeinsam mit einem Merkblatt. Der Verkauf von Sparmarken wurde bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs fortgeführt.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
Zivile Zwangsarbeiter*innen erhielten, anders als KZ-Häftlinge oder Kriegsgefangene, einen Arbeitslohn für die von ihnen geleistete Arbeit. Was nach Abzug der Steuern, Sonderabgaben sowie der Kosten für die Unterbringung und Verpflegung in den Sammelunterkünften noch übrigblieb, konnten sie teilweise an ihre Familien nach Hause überweisen. Zivilarbeiter*innen aus der Sowjetunion waren aber das Sparen von Geld sowie Geldüberweisungen ins Ausland verboten. Für sie wurde 1942 stattdessen das sogenannte Ostarbeitersparen eingeführt. Pro Monat konnten sie Sparmarken zu einer, drei, fünf oder zehn Reichsmark von ihrem geringen Lohn kaufen und in die Sparkarten einkleben lassen. Zur späteren Berechnung der formal versprochenen 2,5 Prozent Jahreszinsen wurde auf jeder Sparmarke der jeweilige Monat und das Jahr notiert, in dem sie erworben worden waren.
Die Auszahlung oder Überweisung des gesparten Geldes war kompliziert und an viele Bedingungen geknüpft. Tatsächlich ausgezahlt wurden die Sparanlagen fast nie und die sowjetischen Zivilarbeiter*innen zögerten häufig, die Wertmarken zu kaufen. Ab dem 27. September 1944 durften sowjetische Zivilarbeiter*innen sich das gesparte Geld schließlich überhaupt nicht mehr auszahlen oder überweisen lassen. Nach dem Rückzug der Wehrmacht aus der Sowjetunion wurden die Sparbeträge der sowjetischen Zivilarbeiter*innen einbehalten und zur Finanzierung des Krieges genutzt.
Im Februar 1945 übernahm die in Berlin sitzende Bank der Deutschen Arbeit das bisher von der Zentralwirtschaftsbank Ukraine (ZWB) durchgeführte Ostarbeitersparen. Das Sparprogramm wurde nun auf alle im Deutschen Reich beschäftigten zivilen Zwangsarbeiter*innen ausgeweitet. Inwiefern dieses Vorhaben in den letzten Kriegsmonaten tatsächlich umgesetzt wurde, ist allerdings nicht bekannt. Laut dem Übergabeschreiben gingen allein im Januar 1945 auf dem „Sonderkonto Ostarbeitersparen“ über drei Millionen Reichsmark ein, während nur rund 43.000 Reichsmark ausbezahlt wurden. Insgesamt sammelte sich durch das Ostarbeitersparen ein Betrag von über 45 Millionen Reichsmark an.
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Wie häufig ist das Dokument?
Es ist leider nicht bekannt, wie viele Ostarbeiter-Sparkarten die Zentralwirtschaftsbank Ukraine ausstellte. Wechselten sowjetische Zivilarbeiter*innen ihren Arbeitsplatz, erhielten sie ihre Sparkarten ausgehändigt. Ein Teil der Karten befindet sich daher heute im Besitz oder Nachlass ehemaliger Zivilarbeiter*innen aus der Sowjetunion. Andere Karten kamen über Firmenarchive in den Bestand der Arolsen Archives.
Die Mitarbeiter*innen des International Tracing Service (ITS), der Vorgängerorganisation der Arolsen Archives, legten die Ostarbeiter-Sparkarten in die 4,2 Millionen Dokumente umfassende Kriegszeitkartei (Bestand 2.2.2.1) ein. Da sie so zusammenhängende Karteien auflösten, kann nicht gesagt werden, wie viele Ostarbeiter-Sparkarten im Original oder als Kopie heute in den Arolsen Archives verwahrt werden. Moderne Computertechnik wird in naher Zukunft aber eine Antwort finden: Die sogenannte Clustering-Technik ermöglicht es, die Ostarbeiter-Sparkarte – ebenso wie andere Dokumente – zu erkennen und die Karten gleichen Typs virtuell zusammenzuführen. Es sind aber bei weitem nicht die Ostarbeiter-Sparkarten aller zivilen Zwangsarbeiter*innen erhalten geblieben.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Das Ostarbeitersparen war offiziell für alle sowjetischen Zivilarbeiter*innen freiwillig. Tatsächlich wurden die Arbeitgeber*innen aber angehalten, dass sich möglichst viele der bei ihnen beschäftigten zivilen Zwangsarbeiter*innen aus der Sowjetunion daran beteiligten. Es handelte sich also um eine Maßnahme, bei der auch ungefragt Teile des Lohns einbehalten werden konnten.
Falls Sie weitere Hinweise zu diesem Dokument haben, freuen wir uns über Rückmeldungen an eguide@arolsen-archives.org. Neue Erkenntnisse können jederzeit in den e-Guide eingebaut und so allen zugänglich gemacht werden.
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