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Auf den Wäschekammerkarten verzeichneten Funktionshäftlinge in den Konzentrationslagern, welche Kleidungsstücke an die einzelnen Neuankömmlinge ausgegeben worden waren. In den Lagern konnte es verschiedene Wäschekammerkarten geben, auf denen jeweils andere Gegenstände vorgedruckt waren. Die Funktionsweise war aber immer dieselbe.
Auf den Wäschekammerkarten verzeichneten Funktionshäftlinge in den Konzentrationslagern, welche Kleidungsstücke an die einzelnen Neuankömmlinge ausgegeben worden waren. In den Lagern konnte es verschiedene Wäschekammerkarten geben, auf denen jeweils andere Gegenstände vorgedruckt waren. Die Funktionsweise war aber immer dieselbe.
Fragen und Antworten
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Wo wurde das Dokument eingesetzt und wer hat es erstellt?
Die Effekten-, Geräte- und Wäschekammern waren die Stationen im Lager, in denen die Neuankömmlinge äußerlich zu Häftlingen gemacht wurden. Hier gaben sie ihre eigenen Kleider und Wertgegenstände ab und erhielten im Gegenzug in der Wäschekammer ihre Häftlingskleidung. Wie wichtig diese Einrichtungen im Lager waren, zeigt auch die große Zahl der dort beschäftigten Funktionshäftlinge: Im Juni 1944 waren beispielsweise im KZ Buchenwald 161 Häftlinge bei der Verwaltung und Ausgabe von Gegenständen an die Häftlinge eingesetzt. Sie nutzten für die Verwaltung in der Wäschekammer spezielle Karten, auf denen sie eintrugen, was an einen Häftling ausgegeben worden war.
Die meisten Wäschekammerkarten sind in den Arolsen Archives nicht als Original, sondern als Kopie erhalten geblieben. Diese erkennt man an dem leicht rosa oder grauen Farbton. Es kann sich dabei um eine Kopie des Originals oder um eine Rückvergrößerung von einem Mikrofilm handeln. Diese fertigte der ITS in verschiedenen Archiven und Gedenkstätten an, um weitere Schicksale zu klären. Kopien entstanden auch, wenn die Rückseite einer Karte in den Konzentrationslagern auf Grund der Papierknappheit für Personalangaben eines anderen Häftlings weiterbenutzt worden war. Im ITS wurde in solchen Fällen eine Kopie der Karte erstellt. Die Originalkarte wurde dann zu den Unterlagen der einen Person gelegt und die Kopie wurde zu den Dokumenten der jeweils anderen Person geordnet.
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Wann wurde das Dokument verwendet?
Die meist grünen Wäschekammerkarten wurden bis 1945 in den größeren Konzentrationslagern genutzt. Dafür wurden verschiedene Vordrucke verwendet, die jeweils unterschiedlich detailliert Kleidungsstücke aufführen – im Großen und Ganzen stimmen sie aber alle überein. Eine Variante stellen die Geräte- und Wäschekammerkarten dar. Auf ihnen wurden neben ausgegebenen Kleidern auch andere Gegenstände wie Bettlaken, Handtücher oder Becher verzeichnet.
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Wofür wurde das Dokument genutzt?
Die Häftlinge mussten die wenigen Habseligkeiten, die sie noch besaßen, bei ihrer Ankunft im Konzentrationslager in der Effektenkammer abgeben. Von der Geräte- und Wäschekammer sollten sie im Gegenzug das Nötigste erhalten: Bettzeug, Tücher, Geschirr und Besteck von der Gerätekammer sowie Häftlingskleidung von der Wäschekammer. Max Pauly, der ehemalige Kommandant von Neuengamme, sagte im Juli 1946 vor britischen Ermittlern aus, welche Kleidungsstücke für die Gefangenen offiziell vorgesehen waren: eine Jacke, eine Hose, eine Unterhose, ein Hemd, eine Mütze, ein Paar Holzschuhe und – wenn vorhanden – eine Weste. Einige Häftlinge bekamen zusätzlich einen Mantel ausgehändigt, wenn sie im Freien arbeiten mussten. Da es im Lager keine Strümpfe gab, wurden den Gefangenen Fußlappen ausgehändigt, die sie sich um die Füße wickeln mussten.
Was dieser Kleidertausch für einen Häftling bedeutete, beschrieb der im KZ Sachsenhausen inhaftierte Arnold Weiss-Rüthel nach dem Krieg: „Wir zogen uns an. Als das geschehen war, kannte keiner den anderen wieder. Ich selbst erkannte mich nicht wieder! Als ich in den Spiegel schaute, erschreckte mich der Anblick zutiefst. Ich war kein Mensch mehr, sondern eine Figur. Nach dieser Prozedur des Einkleidens hatte ich nichts mehr, was mich an mein persönliches Leben hätte erinnern können – meine Brille ausgenommen.“ (Arnold Weiss-Rüthel: Nacht und Nebel. Ein Sachsenhausen-Buch. Berlin, Potsdam 1949, S. 57)
Alle an die Häftlinge ausgegebenen Kleidungsstücke wurden von Funktionshäftlingen auf der Wäschekammerkarte verzeichnet. Wenn ein Häftling entlassen wurde, konnte so überprüft werden, ob er oder sie alles zurückgegeben hatte, was Eigentum des Konzentrationslagers war.
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Wie häufig ist das Dokument?
Obwohl für die meisten Häftlinge bei der Ankunft im KZ eine Wäschekammerkarte ausgestellt wurde, ist sie vergleichsweise selten erhalten. Im Bestand der Arolsen Archives gibt es bei weitem nicht für jeden ehemaligen Häftling eine Wäschekammerkarte. Viele der Karten sind zudem nur deshalb überliefert, weil die Lagerverwaltung die nichtbedruckte Rückseite für andere Häftlinge und Zwecke weiterverwendete. Daher sind viele Originalwäschekammerkarten in den Unterlagen zu anderen Personen abgelegt.
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Was ist bei diesem Dokument zu bedenken?
Die Wäschekammerkarten geben einen geschönten Eindruck des Häftlingsalltags. Zwar wirkt es auf den ersten Blick so, als habe die Lagerverwaltung den Häftlingen alles Nötige ausgegeben, was sie im Lager brauchten, allerdings sagt die Karte nichts über die Qualität der Gegenstände aus. Oft waren die Kleidungsstücke zerschlissen, gestopft oder zu dünn für kalte Wintertage, auch gab es keine Wechselkleidung.
Ein großes Problem war zudem, dass bei der Verteilung nicht auf die Kleidergröße geachtet und zu kleine oder zu große Kleidung verteilt wurde. Viele Überlebende betonen in ihren Erfahrungsberichten, welches Elend vor allem Schuhe in der falschen Größe bedeuteten. So erinnert sich beispielsweise der ehemalige Häftling Odd Nansen, wie bei der Ankunft im KZ Sachsenhausen Kleidung ausgegeben wurde: „Als nächstes stand auf dem Programm der Empfang von Unterwäsche, Schuhen, Strümpfen, Hemden, Pullovern, Mänteln und Mützen. Das hört sich ja alles ganz ordentlich an. Aber wer auch einen einzigen der genannten Artikel gesehen hat, wird nicht mehr von ordentlich reden. Es war ein einziger Haufen schmutziger Lumpen, die wir ausgeliefert bekamen. Ob sie paßten oder nicht war vollkommen gleichgültig, das kümmerte niemanden. Man mußte eben den Haufen in Empfang nehmen, der einem ausgeliefert wurde, ob man nun groß oder klein, dick oder dünn war. Wenn man zurückging, um ein Teil umgetauscht zu bekommen, bekam man eine Faust ins Gesicht – und fragte dann nicht mehr.“ (Odd Nansen: Von Tag zu Tag. Hamburg 1949, S. 51)
Die Tatsache, dass es Wäschekammerkarten gab, bedeutete auch nicht, dass alle neu eintreffenden Häftlinge immer die Grundausstattung an einheitlich gestreifter Häftlingskleidung erhielten. In den Kriegsjahren wurden auch diese Güter zu Mangelware. So erhielten viele Neuankömmlinge Kleidungsstücke von gestorbenen Häftlingen zugeteilt. Teilweise behielten sie auch die Kleider, die sie bei der Ankunft im Lager getragen hatten. Diese zivilen Kleidungsstücke wurden dann markiert, zum Beispiel mit Farbstrichen. Bettzeug, das auf den Wäsche- und Gerätekammerkarten aufgeführt wurde, gab es in den späteren Jahren auch nicht mehr.
Auf den Wäschekammerkarten selbst ist zudem nicht vermerkt, in welchem Lager sie ausgestellt wurden. Zur Klärung, wo die Karte verwendet wurde, ist daher die Information über den zugehörigen Bestand in den Arolsen Archives wichtig. Zudem können im Zweifelsfall auch andere Dokumente zur selben Person herangezogen werden. Sinnvoll ist zum Bespiel, zu überprüfen, ob die Häftlingsnummer auf der Wäschekammerkarte mit der Nummer auf einer anderen Karte übereinstimmt, auf der der Name der Lager genannt wird.
Falls Sie weitere Hinweise zu diesem oder einem anderen im e-Guide vorgestellten Dokument haben, freuen wir uns daher sehr über Rückmeldungen an eguide@arolsen-archives.org. Die Dokumentenbeschreibungen werden regelmäßig erweitert – und das gelingt am besten durch das gemeinsame Zusammentragen von Wissen.
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