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Hintergrundinformationen zu DP-Dokumenten

Die Arolsen Archives verwahren zahlreiche Dokumente von Displaced Persons (DPs). Diese stammen aus verschiedenen DP-Camps und von unterschiedlichen Organisationen, die sich nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs um die DPs kümmerten. In der folgenden Einleitung werden Aspekte beschrieben, die für viele dieser Karten und Bögen gelten. Es geht um die Fragen, wer als DP bezeichnet wurde, welche Rolle Organisationen wie die United Nations Relief and Rehabilitation Administration (UNRRA) oder die International Refugee Organization (IRO) spielten und wie sich der Umgang mit den DPs in den vier Besatzungszonen unterschied. Darüber hinaus werden auch die typischen Wege thematisiert, die DPs gingen – von der Rückkehr in ihre Herkunftsländer (Repatriierung) bis zum Neubeginn in einem fremden Land (Emigration). Welche DP-Dokumente in den Arolsen Archives verwahrt werden und welche Besonderheiten es vor allem bei der Angabe der Nationalität gibt, wird abschließend behandelt.

Als die Alliierten Deutschland und die von den Deutschen besetzten Länder befreiten, trafen sie auf ca. 10 bis 12 Millionen Menschen, die sich infolge der nationalsozialistischen Verfolgung außerhalb ihrer Herkunftsländer befanden. Sie nannten sie Displaced Persons (auch personnes déplacées, kurz DPs) und fanden so einen Begriff für eine Gruppe mit ganz unterschiedlichen Lebens- und Verfolgungswegen. Als DPs – oder um genau zu sein als United Nations DPs – galten alle nichtdeutschen Zivilpersonen, die von den Nationalsozialisten verschleppt worden waren oder sich aus anderen kriegsbedingten Gründen bei Kriegsende nicht in ihrem Herkunftsland aufhielten. Sie sollten bei ihrer Rückkehr oder bei der Emigration, also dem Neubeginn in einem anderen Land, unterstützt werden. Deutsche erhielten nur einen DP-Status, wenn sie nachweisen konnten, dass sie von den Nationalsozialisten verfolgt worden waren. Entscheidend waren also die Nationalität und – in den meisten Fällen – die rassische, politische oder religiöse Verfolgung durch die Nationalsozialisten. Die Alliierten grenzten so die DPs von anderen Gruppen ab: Deutsche aus den Ostgebieten (Vertriebene), Soldaten der sogenannten enemy- und ex-enemy-Staaten (also zum Beispiel Österreicher oder Italiener) sowie Nichtdeutsche, die als Kollaborateur*innen mit den Nationalsozialisten oder einer mit ihnen sympathisierenden Regierung zusammengearbeitet hatten, sollten keinen DP-Status erhalten.

Die größte Gruppe unter den DPs waren die befreiten Zwangsarbeiter*innen. Dabei handelte es sich vor allem um sogenannte Zivilarbeiter*innen, die die Nationalsozialisten aus allen Ländern Europas verschleppt hatten. Eine zweite Gruppe bildeten Überlebende der Konzentrationslager und Ghettos, worunter sich auch jüdische Überlebende des Holocaust befanden. Ab Ende 1945/Anfang 1946 kamen noch weitere Gruppen hinzu, etwa osteuropäische Jüdinnen und Juden, die vor der nationalsozialistischen Verfolgung Richtung Osten geflohen waren. Diese sogenannten Infiltrees hatten teilweise in der Sowjetunion oder in Ländern des Nahen Ostens überlebt oder waren nach ihrer Befreiung aus den Konzentrationslagern zunächst in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt. Nach antisemitischen Pogromen wie im polnischen Kielce, bei dem die lokale Bevölkerung im Juli 1946 über 40 Jüdinnen und Juden ermordete, flohen viele von ihnen nach Deutschland. Sie galten in der US-amerikanischen Besatzungszone ebenfalls als DPs. Auch Nichtdeutsche, die erst in den letzten Kriegsmonaten oder sogar nach Mai 1945 in Deutschland angekommen waren, konnten einen DP-Status erhalten. Viele Litauer*innen, Lett*innen und Est*innen waren zum Beispiel vor der vorrückenden Roten Armee geflohen, weil sie entweder nicht in einem kommunistisch organisierten Land leben wollten oder weil sie – zu Recht oder Unrecht – fürchteten, als Kollaborateur*innen verurteilt zu werden.

DPs gab es aber nicht nur in Deutschland. Weil die Nationalsozialisten Menschen in verschiedene europäische Länder verschleppt hatten, wurden DPs auch in Österreich, Italien, Dänemark, Norwegen und den Niederlanden registriert. Die Versorgung von DPs war daher auch nicht nur auf Europa begrenzt. Tatsächlich kümmerten sich Hilfsorganisationen weltweit um DPs. So war die IRO beispielsweise in 25 Ländern auf fünf Kontinenten für Menschen verantwortlich, die den Krieg außerhalb Europas überlebt hatten, etwa in Ostasien, im Nahen Osten oder in den britischen Kolonien Ostafrikas.

Genaue Zahlen, wie viele DPs es gab, sind schwierig zu nennen. Ein Grund dafür ist, dass viele Befreite auf eigene Faust versuchten, in ihre Herkunftsländer zurückzukehren und sich nicht registrieren ließen. Die Forschung geht aber für Mai 1945 von 10 bis 12 Millionen DPs aus. Davon waren im September 1945 bereits 6 Millionen in ihre Herkunftsländer zurückgekehrt. Zurück blieben im besetzten Deutschland ab Winter 1945/1946 vor allem DPs aus Polen, der Ukraine und dem Baltikum sowie ca. 60.000 bis 70.000 überwiegend mittel- und osteuropäische Jüdinnen und Juden. Hinzu kamen noch die mehr als 100.000 Infiltrees, die zum überwiegenden Teil in der US-amerikanischen Besatzungszone auf eine Weiterreise warteten. Im Juli 1947, als die Verantwortung für die DPs von der UNRRA auf die IRO überging, waren noch ca. 704.000 DPs registriert. Die Zahl nahm durch Auswanderungen stetig ab und 1948 gab es nur noch 598.000 DPs, von denen jede*r vierte jüdisch war. Am 1. Januar 1952 – als die IRO ihre Arbeit in Europa einstellte – hielten sich noch ca. 177.000 DPs in Deutschland auf. Diesen hard core (harten Kern) bildeten vor allem körperlich und seelisch Kranke und ihre Familienangehörigen sowie alte und nicht arbeitsfähige DPs, die kein Land hatte aufnehmen wollen. Sie gingen als „heimatlose Ausländer“  in die Verantwortung der Bundesrepublik Deutschland über; gleiches geschah auch in Österreich.

Auf den in den Arolsen Archives verwahrten Dokumenten findet sich neben dem Begriff DP auch die Bezeichnung refugee (Flüchtling). Das kommt daher, dass die Alliierten Streitkräfte (SHAEF) formal zwischen DPs und Refugees unterschieden. Refugees waren dabei alle Personen, die auf Druck der Nationalsozialisten ihre Herkunftsländer verlassen hatten, also selbst geflohen waren. Ein deutscher Jude, der 1935 in die Niederlande geflohen war und dort im Versteck überlebt hatte, war also ein Refugee. Displaced Persons waren hingegen meist Menschen, die von den Nationalsozialisten aus ihren Herkunftsländern verschleppt worden waren, also zum Beispiel eine ukrainische Zwangsarbeiterin, die bei einer Firma in Deutschland arbeiten musste. Allerdings blieb diese Unterscheidung in den meisten Fällen eine Formalität. In historischen Quellen findet sich stattdessen eher die Unterscheidung zwischen Personen, die einen DP-Status erhielten, und denen, die nicht die Kriterien erfüllten und daher als Refugees bezeichnet wurden. Die jüdischen Infiltrees galten zum Beispiel in der US-amerikanischen Zone als DPs, in der Britischen Besatzungszone erhielten sie aber nur einen Status als Refugees. In der heutigen Forschung – und daher auch im e-Guide – werden beide Gruppen verallgemeinernd als DPs bezeichnet, da auch die UNRRA und die IRO letztlich für beide verantwortlich waren.

Nach dem Zweiten Weltkrieg war Deutschland in vier Besatzungszonen aufgeteilt: eine britische in Norddeutschland, eine US-amerikanische in Süd- und Mitteldeutschland (mit der Enklave Bremen), eine französische in Westdeutschland und in Ostdeutschland – der späteren DDR – eine sowjetische. Berlin und Österreich waren ebenfalls jeweils in vier Zonen geteilt. Die vier Regierungen hatten unterschiedliche Vorstellungen, was mit den DPs passieren sollte.

Die strikteste DP-Politik verfolgte die Sowjetunion. Nach dem Tod von Millionen Menschen während des Zweiten Weltkriegs war man dort und in den nun sowjetisch kontrollierten Ländern auf Arbeitskräfte angewiesen. Die DPs sollten daher schnell und ohne Ausnahme repatriiert werden, um in ihren Herkunftsländern beim Wiederaufbau zu helfen. Die Repatriierung begann deshalb auch umgehend: Bereits im Frühsommer 1945 kehrten zehntausende sowjetische DPs pro Tag über Repatriierungslager zurück. Die befreiten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter*innen wurden im sowjetischen Sprachgebrauch daher auch nicht als DPs, sondern als Repatriant*innen bezeichnet. Statt der DP-Camps richtete das sowjetische Volkskommissariat (NKWD) Filtrationslager ein, um zu überprüfen, ob Rückkehrer*innen mit den Nationalsozialisten zusammengearbeitet hatten, ob sie also Kollaborateur*innen waren. Der Verdacht traf viele: 42 Prozent der Repatriant*innen durften nicht nach Hause zurückkehren, sondern wurden zur Zwangsarbeit in Gulags gebracht. Dort starben tausende Rückkehrer*innen aufgrund der schlechten Lebensbedingungen.

Die französische Militärregierung setzte ebenfalls auf eine schnelle Rückkehr von DPs, ging dabei aber weniger repressiv vor. Sie drohte aber zum Beispiel den DPs mit dem Entzug des DP-Status, wenn diese die Repatriierung verweigerten. Allerdings waren DPs in der Französischen Besatzungszone kein Massenphänomen wie in der Britischen oder US-amerikanischen Zone: Ab 1946 mussten nur noch um die 40.000 von ihnen versorgt werden. Sie waren daher auch seltener in großen Camps untergebracht, sondern lebten in kleineren Siedlungen oder Häusern.

Die Briten hielten ebenfalls lange an einer Durchführung der Repatriierung fest. Die Situation zwischen DPs und Britischen Alliierten war daher oft angespannt und konfliktreich. In der Britischen Zone galten auch strengere Regeln bezüglich des Stichtags: Nur wer sich vor dem 30. Juni 1946 in der Britischen Zone aufgehalten hatte, konnte als DP anerkannt werden. Dies traf vor allem die Infiltrees, also Jüdinnen und Juden, die den Krieg teils in der Sowjetunion überlebt hatten und erst später nach Deutschland kamen. Die britische Militärregierung lehnte es zudem ab, Jüdinnen und Juden einen eigenen Status zuzuerkennen. Sie begründeten dieses Vorgehen damit, dass sie keine NS-Kategorien weiternutzen wollten.

In der US-amerikanischen Besatzungszone setzten die Verantwortlichen – beeinflusst durch die zunehmenden Konflikte mit der Sowjetunion – als erste die Zwangsrepatriierungen aus. Auch für jüdische DPs herrschte in der US-Zone eine andere Situation: Der Bericht des Juristen Earl G. Harrison schärfte das Bewusstsein, dass jüdische DPs eine besondere Betreuung benötigten. Sie wurden daraufhin nicht mehr getrennt nach ihrer Nationalität untergebracht, sondern es gab speziell jüdische DP-Camps. Die zudem bessere Versorgung mit Lebensmitteln führte dazu, dass viele jüdische Überlebende sowie Infiltrees versuchten, in die US-Zone zu kommen. Dort wurden sie auch länger als DPs anerkannt, denn im Gegensatz zur Britischen Zone, galt hier der 21. April 1947 als Stichtag. Die US-amerikanischen und die britischen Verantwortlichen waren vor allem uneinig über die Emigration von jüdischen Überlebenden nach Palästina/Israel. Während die USA versuchte, dies zu ermöglichen, versuchten die Briten dies zu verhindern. Gleichzeitig hielten die USA aber an den geringen Quoten für die Einreise in ihr eigenes Land fest. Sie öffneten erst ihre Grenzen, als bereits viele DPs woanders ein neues Leben begonnen hatten.

Die Versorgung der DPs begann bereits beim Vormarsch der alliierten Truppen. Damit DPs nicht in die Kampfhandlungen gerieten, brachte das Militär sie in provisorischen Camps unter, registrierte sie und organisierte für sie Lebensmittel, Kleidung und Medikamente. Auch nach Kriegsende im Mai 1945 blieben das Oberkommando der westlichen Alliierten Streitkräfte SHAEF (Supreme Headquarters, Allied Expeditionary Force) mit der G-5 Division (Displaced Persons, Refugees and Welfare Branch) und später die Militärregierungen der westlichen Besatzungszonen offiziell für die Versorgung der DPs verantwortlich. Sie schickten auch Soldaten, die die Camps bewachten und bei Unruhen eingriffen. Das Militär begann direkt damit, die DPs in ihre Herkunftsländer zurück zu bringen. Bis zu 80.000 DPs wurden im Mai und Juni 1945 pro Tag aus den westlichen Besatzungszonen repatriiert; insgesamt waren über 4 Millionen DPs bis zum 31. Juli 1945 bereits zurückgekehrt.

Vor Ort in den DP-Camps kümmerte sich aber mit der UNRRA – zusammen mit zahlreichen Hilfsorganisationen aus aller Welt – eine zentrale internationale Organisation um die DPs. Diese verhandelte in den einzelnen Besatzungszonen mit den Militärregierungen die Bedingungen für die Arbeit in den Camps. Obwohl die UNRRA eine zentrale Organisation der Vereinten Nationen war, unterschied sich die Versorgung der DPs daher in den drei westlichen Besatzungszonen.

44 Staaten der späteren Vereinten Nationen hatten bereits am 9. November 1943 in Washington, USA, die UNRRA gegründet. 6000 Männer und 5000 Frauen kümmerten sich 1946 als UNRRA-Mitarbeiter*innen um die DPs in Deutschland, Österreich und Italien. Sie waren in Teams eingeteilt, die jeweils für ein oder mehrere DP-Camps verantwortlich waren. Im August 1945 gab es 349 UNRRA-Teams mit durchschnittlich acht Mitarbeiter*innen. Sie waren meist jung und stammten zum Großteil aus englischsprachigen Ländern, vor allem aus Großbritannien und den USA. Sie hatten sich freiwillig gemeldet, um in einem wenige Wochen dauernden Kurs auf ihre Arbeit vorbereitet zu werden. Dabei brachten sie unterschiedliche Erfahrungen mit: Manche hatten vorher zum Beispiel aktiv in der Résistance gegen die Nationalsozialisten gekämpft, andere kannten den Krieg nur aus den Nachrichten. Auch hatten sie unterschiedliche Vorstellungen, wie sie sich den DPs nähern sollten, das heißt, ob sie eher professionell distanziert oder voller Mitgefühl sein sollten. Im Zentrum stand aber das Ziel der UNRRA, Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten (help the people to help themselves). Zusammen mit verschiedenen Hilfsorganisationen und unter der Mitarbeit vieler DPs führten die UNRRA-Mitarbeiter*innen die Registrierung der DPs durch, sie versorgten sie vor Ort und organisierten ihre Rückkehr in die Herkunftsländer. Zudem versuchten sie, durch soziale, kulturelle, religiöse und schulische Angebote eine Form der Normalität zu schaffen. Dabei entstanden viele Dokumente, die heute in den Arolsen Archives verwahrt werden.

Die UNRRA beendete ihre Arbeit im Juni 1947, als noch etwas mehr als 700.000 DPs zu versorgen waren. Diese gingen in die Verantwortung der Nachfolgeorganisation über, der ebenfalls von den Vereinten Nationen gegründeten IRO. Aus formalen Gründen – es fehlten noch die Unterschriften von 15 geldgebenden Mitgliedsstaaten – übernahm von Juli 1947 bis August 1948 mit der Preparatory Commission of the International Refugee Organization (PCIRO) zunächst eine Vorbereitungskommission die Versorgung der DPs. Vom 20. August 1948 bis zur Einstellung ihrer Tätigkeit in Europa zum 1. Januar 1952 war dann die IRO verantwortlich. Heute werden PCIRO und IRO meist gleichgesetzt, weil die Unterscheidung im Grunde genommen eine formale war. Daher ist auch im e-Guide die PCIRO mitgemeint, wenn von der IRO die Rede ist. Die IRO war eine internationale Organisation, die sich weltweit einsetzte. Sie kümmerte sich nicht nur um Displaced Persons in Europa, sondern auch in Übersee, etwa in Shanghai, Afrika, Indien oder dem Iran. Daher finden sich in den Arolsen Archives auch Dokumente von Menschen, die sich nach Kriegsende außerhalb Europas aufhielten. Das IRO Büro in London war zum Beispiel die zentrale Anlaufstelle für Unterstützungsanträge, die in den britischen Kolonien gestellt wurden.

Insgesamt arbeiteten in der Hochphase im Dezember 1949 ca. 2800 Personen aus 36 Ländern für die IRO; dabei sind jene DPs noch nicht eingerechnet, die die IRO-Mitarbeiter*innen in den Camps unterstützten. Die IRO war in zwei Abteilungen eingeteilt, die auch die beiden grundsätzlichen Aufgaben deutlich machen: das Department of Health, Care and Maintenance zur Versorgung der DPs vor Ort und das Department of Repatriation and Resettlement (auch: Resettlement Divison) für die Organisation der Rückkehr oder der Emigration. Letztere Abteilung verhandelte zum Beispiel mit Ländern und Organisation weltweit über die Aufnahme von DPs. Sie erarbeiteten aber auch Informationen über die Situation im Herkunftsland, um den DPs die Entscheidung über ihre Zukunft zu erleichtern. Die IRO verfügte zudem über ein eigenes Transportnetz, so fuhren unter anderem 25 Schiffe unter der Flagge der IRO. Sie organisierte mit 30 Zügen und hunderten Plätzen in Flugzeugen die Weiterreise der DPs. Die IRO steht damit für einen Wechsel im Umgang mit den DPs, denn sie ermöglichte ihnen nicht nur die Rückkehr in ihr Herkunftsland, sondern auch die Ausreise und Emigration.

Neben UNRRA und IRO waren auch zahlreiche andere Hilfsorganisationen in den DP-Camps aktiv. Diese kümmerten sich meist um eine bestimmte Gruppe. Das American Joint Distribution Committee (AJDC) versorgte zum Beispiel besonders jüdische DPs, während das belgische Comité Estonien oder das American National Committee for Aid to Homeless Armenians sich um die estnischen beziehungsweise armenischen DPs kümmerten. 1948 waren 25 Organisationen offiziell mit der IRO verbunden und unterstützten die DPs in allen Bereichen. Die DPs organisierten sich aber auch selbst. Sie gründeten in vielen Camps Komitees, die sich als Sprachrohr der DPs verstanden, das Kulturleben mitorganisierten, Zeitungen herausgaben und sich für ihre Belange einsetzten.

Das Abkommen von Jalta, zwischen den Alliierten, legte im Februar 1945 fest, dass alle DPs so schnell wie möglich in ihre Herkunftsländer zurückgebracht werden sollten. Die Alliierten richteten die Versorgung der DPs daher vor allem auf die Repatriierung, also ihre Rückführung aus. Dabei nahmen sie und die UNRRA an, dass alle DPs schnell zurückkehren wollten. Zudem hatten die jeweiligen Regierungen ein großes Interesse daran, dass die Menschen bald wieder in ihrer Heimat waren, um diese nach dem Krieg wiederaufzubauen. Bei vielen westeuropäischen Zwangsarbeiter*innen war dies auch der Fall. Dabei sind die Zahlen beeindruckend: Laut der 1948 herausgegebenen IRO-Broschüre „The Facts About Refugees“ hatten die Alliierten mit Unterstützung der UNRRA innerhalb von drei Monaten nach Kriegsende bereits 4,5 Millionen DPs in ihre Herkunftsländer zurückgebracht.

Im Winter 1945/1946 setzte dann jedoch eine Verlangsamung ein. Dies betraf vor allem zwei Gruppen: jüdische Holocaustüberlebende sowie baltische, ukrainische und polnische DPs, deren Herkunftsländer nun zum Machtbereich der Sowjetunion gehörten. Viele jüdische Überlebende, deren Familien ermordet worden waren, konnten nicht mehr an ihr früheres Leben anknüpfen und zogen es vor, ein neues Leben in Palästina oder einem anderen Land zu beginnen. Zahlreiche polnische, baltische und ukrainische DPs wollten hingegen nicht unter sowjetischer Herrschaft leben und fürchteten die Repressionen, die ihnen in der Sowjetunion drohten. Dort galten nicht nur diejenigen, die tatsächlich auf Seiten der Deutschen gekämpft oder die Besatzer unterstützt hatten, sondern auch ehemalige Zwangsarbeiter*innen aufgrund der „Arbeit für den Feind“ als Kollaborateur*innen.

Die anfangs noch durchgeführte Zwangsrepatriierung dieser Gruppe, also die Rückführung in ihre Herkunftsorte auch gegen ihren Willen, stellten die westlichen Alliierten ab Oktober 1945 praktisch ein. Die Verantwortlichen reagierten damit auch auf die vielen Selbstmorde, die DPs aus Verzweiflung begingen, um nicht repatriiert zu werden. Im Februar 1946 legte eine UN-Resolution dann fest, dass niemand mehr zur Rückkehr gezwungen werden durfte. Stattdessen versuchten die UNRRA und die verschiedenen Regierungen die DPs mit Anreizen zur Rückkehr zu bewegen. Polnische DPs erhielten zum Beispiel eine 60-Tages-Ration an Lebensmitteln, wenn sie sich bis Ende 1946 zur Rückkehr entschieden.

Zunehmend wandelte sich aber auch die Unterstützung der DPs: Statt der Repatriierung ging es spätestens ab 1947 vermehrt darum, sie auf ein Leben in einem anderen Land vorzubereiten und ihre Emigration zu organisieren. Die meisten DPs wollten in englischsprachige Länder wie die USA, Kanada, Australien oder Neuseeland emigrieren, aber auch Südamerika oder – für jüdische DPs – Palästina/Israel waren Ziele. Mit dem Wechsel der UNRRA zur IRO im Juli 1947 trat neben die Repatriierung die Emigration (auch resettlement, Neuansiedlung) als Möglichkeit. In diesem Zusammenhang entstanden auch viele neue Formulare und Dokumente, die die DPs ausfüllen mussten und die heute in den Arolsen Archives verwahrt werden. Die Organisation der vielen Schritte bis zur eigentlich Emigration war dabei nicht leicht und lange gab es klare Begrenzungen, wie viele und vor allem welche DPs die verschiedenen Länder aufnahmen. Insgesamt wanderten bis Ende 1951, als die IRO ihre Arbeit in Europa einstellte, über 700.000 DPs aus.

Viele der DP-Dokumente entstanden in einer Zeit voller Unsicherheit. Obwohl für die Registrierung der DPs eigentlich genaue Vorgaben galten, gibt es daher dennoch vor allem zwei Angaben, die sich auf Dokumenten zur selben Person oft unterscheiden: der Name und die Nationalität.

Bei der Registrierung der DPs herrschte vielerorts ein Durcheinander von Sprachen. Die DPs und diejenigen, die sie registrierten, kamen aus den verschiedensten Ländern und sprachen die unterschiedlichsten Sprachen. Zwar übernahmen zunehmend DPs selbst die Aufgaben der Übersetzer*innen und Meldebeamt*innen (center registrars) in den Camps, aber dennoch kam es bei der Registrierung oft zu Namensverschreibungen. Heute fängt das alphabetisch-phonetische System, nach dem die Nachkriegszeitkartei der Arolsen Archives sortiert ist, fast alle Verschreibungen dieser Art auf.

Als die verantwortlichen Stellen festlegten, dass DPs nach ihren Nationalitäten registriert werden sollten, klang dies nach einem logischen Schritt. Die Menschen sollten in nationale Gruppen geordnet werden, um ihre Rückkehr leichter zu organisieren. Doch die unterschiedlichen Angaben der Nationalität auf den DP-Dokumenten zeigen, dass die Wirklichkeit komplizierter war. Dafür gibt es zahlreiche Gründe. Die eigene Nationalität anzugeben war oft schon aufgrund der Veränderungen der Ländergrenzen in Folge des Ersten und Zweiten Weltkriegs schwierig. Die nach dem Ersten Weltkrieg zum polnischen Staat gehörende Stadt Lwów (Lemberg) beispielsweise hieß nun Lwiw und lag im ukrainischen Teil der Sowjetunion. Bei der Frage der nationalen Zuordnung war nicht zuletzt auch entscheidend, wie sich die DPs selbst definierten. Um beim Beispiel Lwów/Lwiw zu bleiben: Selbst wenn sie dort zur gleichen Zeit geboren worden waren, sahen sich einige als Pol*innen, andere als Ukrainer*innen und wieder andere als Staatenlose, Sowjetbürger*innen oder Jüdinnen und Juden. Viele jüdische Überlebende des Holocaust gaben nun auch als Nationalität Jewish, Hebrew oder Jüdisch an und beanspruchten damit selbstbewusst eine eigene Nationalität, die mit keiner Staatbürgerschaft übereinstimmte. Dennoch gingen die Alliierten wenige Monate nach Kriegsende dazu über, dies als Nationalität anzuerkennen.

Die Angaben „Staatenlos“ oder „Nansen“, die viele aus Osteuropa stammende DPs auf ihren Dokumenten als Nationalität angaben, beziehen sich auf eine Regelung für Emigrant*innen nach dem Ersten Weltkrieg. Bewohner*innen des früheren russischen Zarenreichs, die nach der Revolution von 1917 ihr Land verlassen hatten, wurde in der Sowjetunion die Staatsangehörigkeit entzogen und sie galten als staatenlos. Damit sie dennoch gültige Dokumente besaßen, konnten sie – und in der Folge auch andere Flüchtlinge – einen nach dem damaligen Hochkommissar des Völkerbundes Fridtjof Nansen benannten Nansen-Pass erhalten. Jüdinnen und Juden sowie Sinti und Roma, die vor der NS-Verfolgung geflohen waren, hatten die Nationalsozialisten ebenfalls ihre Staatsangehörigkeit entzogen. Viele der DPs wählten die Angabe staatenlos oder Nansen allerdings auch, obwohl sie eigentlich noch eine Staatsangehörigkeit besaßen. Sie lehnten diese aber ab oder wollte sie nicht angeben, um eine Repatriierung zu vermeiden.

Doch warum war die Nationalität überhaupt so wichtig? Zum einen entschied sie darüber, ob jemand als DP anerkannt und, wenn ja, in welchem Camp sie oder er versorgt wurde. Zum anderen hing von ihr auch ab, wohin eine Person zurückgebracht wurde und ob dies auch gegen ihren Willen geschah. Dies traf besonders DPs aus dem Baltikum sowie Menschen, die sich als Pol*innen und Ukrainer*innen betrachteten und deren Herkunftsorte nach dem Krieg in der Sowjetunion lagen. Im SHAEF Memorandum No. 39 aus dem April 1945 heißt es dazu: „Nach der Identifizierung durch sowjetische Repatriierungsoffiziere werden sowjetische DPs ungeachtet ihrer eigenen Wünsche zurückgebracht“ (6.1.1/82495546/ITS Digital Archive, Arolsen Archives, Übersetzung des englischen Originals). Das bedeutet, dass sowjetische DPs auch zwangsrepatriiert werden sollten. Da viele dies verweigerten, kam es auch vor, dass sie die eigene Biografie und den Verfolgungsweg während des Krieges „umschrieben“. Aber auch viele DPs anderer Gruppen, beispielsweise die jüdischen Infiltrees, fälschten Angaben über ihre Person oder ihre Erlebnisse während des Krieges, um als DPs anerkannt und unterstützt zu werden.

Als die Alliierten den International Tracing Service (ITS) gründeten, stand die Suche nach Überlebenden der NS-Verfolgung im Zentrum. Daher kamen neben den Karten und Bögen aus den befreiten Konzentrationslagern sowie den Meldeunterlagen der Zwangsarbeiter*innen auch Dokumente nach Arolsen, die gerade erst für DPs angelegt worden waren. Zum Beispiel war geregelt, dass Duplikate der DP 2 Karten oder Passagierlisten von Emigrationsschiffen immer auch direkt an den Suchdienst gehen sollten. Die meisten DP-Dokumente sind in den Arolsen Archives in der Nachkriegszeitkartei (Bestand 3.1.1.1) zusammengefasst. Um nicht mehrere Karteien durchsuchen zu müssen, ordneten die ITS-Mitarbeiter*innen die ca. 3,5 Millionen DP-Dokumente alphabethisch-phonetisch in diese Kartei – egal, ob sie von der UNRRA, der IRO oder einer der zahlreichen Hilfsorganisationen stammten.

Die Karten machen deutlich, wie viele Stellen und welche Organisationen DPs nach dem Krieg überall registrierten. So haben sich neben den offiziellen Dokumenten der UNRRA und der IRO in den Arolsen Archives auch Dokumente aus einzelnen DP-Camps oder von anderen Hilfsorganisationen erhalten. Viele dieser Dokumente kamen zum ITS, nachdem sich die Organisationen aufgelöst hatten. Dass es in den drei westlichen Besatzungszonen unterschiedliche Dokumente für die DPs gab, erklärt zusätzlich die Vielfalt der Dokumente in den Arolsen Archives. Die offiziellen Dokumente wurden an verschiedenen Stellen gedruckt, zum Beispiel in der Nationaldruckerei in Paris aber auch in Druckereien vor Ort. Aus der Sowjetischen Besatzungszone gibt es in den Arolsen Archives hingegen keine Dokumente von DPs. Wegen des speziellen Umgangs mit DPs – das heißt der schnellen Rückführung (Repatriierung) in ihre Herkunftsländer – entstanden dort keine Registrierungsdokumente wie in den westlichen Besatzungszonen. Für Menschen, die in die Sowjetunion – teilweise gegen ihren Willen – zurückgebracht wurden, sind hingegen in den Arolsen Archives die sogenannten Filtrationsakten als Scans oder Mikroverfilmungen einsehbar. Diese Akten legte der sowjetische Geheimdienst bei der Rückkehr während der Überprüfung durch eine Filtrationskommission für jede Person an.

Wichtig ist, dass Hilfsorganisationen wie die IRO weltweit aktiv waren. So hat zwar der Großteil der in den Arolsen Archives verwahrten Dokumente einen Bezug zu DPs in Deutschland und Österreich. Es haben sich aber auch Dokumente für Menschen erhalten, die sich in Folge des Krieges außerhalb Europas aufhielten, zum Beispiel im Nahen Osten oder in Afrika. Zudem gibt es auch Dokumente von Menschen, die versuchten, den DP-Status zu erhalten, obwohl sie eigentlich nicht zu der Gruppe der DPs gehörten. Daher kann man in den Arolsen Archives Informationen zu vielen verschiedenen Personen finden; auch Volksdeutsche können in den Unterlagen genannt werden. Sie fielen zwar nicht in die eigentliche Verantwortung der Hilfsorganisationen, emigrierten aber zum Beispiel auf denselben Schiffen wie die DPs.

Die meisten Dokumente für DPs sind auf Englisch oder Französisch verfasst und ausgefüllt, also den Sprachen der Besatzungsmächte. Es gibt aber auch Material auf Polnisch, Estnisch, Litauisch, Russisch, Deutsch und in anderen Sprachen. Daneben liegen auch medizinische Unterlagen vor, mit denen die DPs vor der Ausreise auf Krankheiten wie Tuberkulose untersucht wurden. ITS-Mitarbeiter*innen nutzten all diese Dokumente nicht nur für die Suche nach Überlebenden der NS-Verfolgung. Schon seit den frühen 1950er Jahren wurden die DP-Dokumente auch für deutsche und andere Behörden wichtig, um Entschädigungs- und Rentenansprüche oder Einwanderungsverfahren zu prüfen. Dies war vielfach auch ein wichtiger Grund, warum DP-Bestände überhaupt erhalten blieben und nach Arolsen gegeben wurden. Mit Hilfe der Dokumente konnten die Staatsangehörigkeit und Beschäftigungs- oder Aufenthaltszeiten geprüft werden.

Obwohl Millionen DP-Dokumente in den Arolsen Archives erhalten sind, sind nicht alle jemals erstellten Dokumente zu einzelnen DPs überliefert. Dennoch stellen die DP-Dokumente in den Arolsen Archives einen einzigartigen Quellenbestand dar, der die schwierige Übergangssituation deutlich macht, in der sich Millionen von Menschen nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs befanden.